Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“
Nach der Überlieferung der Passionsgeschichte hat Jesus am Kreuz diese Worte aus dem Psalm 22 ausgerufen
Gott, mein Gott, wo bist du nur? Ich vermute, wir haben das alle schon einmal gedacht. Es gibt Situationen, da haben wir das Gefühl, kein Mensch kann uns helfen und Gott scheint auch irgendwie abwesend zu sein.
Unsere Welt ist voll von Leiden. Wir werden dauernd mit Bildern vom Leiden konfrontiert, Menschen, die gequält und misshandelt werden, Menschen, die hungern oder unter Krieg und Terror leiden. Wir sehen immer wieder mit Entsetzen die Bilder von Katastrophen in aller Welt und sind immer wieder schockiert, wie hilflos wir Menschen solchen Ereignissen ausgeliefert sind. Und wir erleben es im eigenen Umfeld, wie Menschen von Krankheit und Tod gezeichnet sind.
Wie können wir weiter an Gott glauben, auf Gott hoffen und weiterhin Gott und die Menschen lieben, wenn wir gleichzeitig immer wieder diese Macht des Todes akzeptieren und auch ertragen müssen?
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“
Eigentlich ist das ja eine unlogische Frage. Denn die Frage richtet sich ja trotz allem an Gott. Auch wenn es sich in diesem Moment wohl so anfühlt, als ob Gott gar nicht da wäre. Aber ich denke, gerade inmitten aller Traurigkeit und Zweifel können wir es nicht lassen, nach Gott zu fragen.
Der Psalm will uns einen Ausweg aus der Gottverlassenheit und Ohnmacht aufzeigen. Er erinnert an die Geschichte Gottes mit den Menschen. Daran, wie schon früher Menschen Gottes Unterstützung und Hilfe erfahren durften, und dass Gott auch weiterhin bei den Menschen sein will. Darum sollen wir nicht den Mut verlieren, sondern uns Gott anvertrauen mit allem, was schwer auf uns liegt!
Genau das ist es doch auch, was Jesus tut, wenn er auf die uralten Worte dieses Psalms zurückgreift und sie in tiefster Not herausschreit.
Auch wir können uns Gott anvertrauen mit unserem Kummer. Denn wir glauben doch, dass sich im Leiden Jesu und in seinem Sterben am Kreuz zeigt, dass Gott bei uns sein will, wenn wir leiden. Gott begibt sich sozusagen in die tiefsten Tiefen der Gottverlassenheit hinein. Gott ist da, wenn es uns schlecht geht. Gott lässt uns nicht allein, darauf dürfen wir vertrauen.
Das ist es, was das Kreuz, was Karfreitag uns sagen will.
Wir alle haben unser ganz persönliches Kreuz zu tragen. Je nach Lebenssituation und persönlichen Lebensumständen kann das ganz unterschiedlich aussehen.
Wir brauchen dennoch dabei die Hoffnung nicht zu verlieren. Denn Gott ist bei uns und will uns helfen. Gott war bei Jesus am Kreuz dabei und Gott ist auch in unserem Kreuz dabei.
In Jesus wurde, wie wir glauben, Gott auf ganz besondere Art lebendig und menschlich. In Jesus litt Gott mit. So zeigte sich Gott solidarisch mit allen, die leiden.
Es ist wirklich ein ungewöhnlicher, rätselhafter Weg, den Gott wählt. Deshalb bleibt der Karfreitag auch ein schwieriger Tag, der in letzter Konsequenz nur schwer auszuhalten ist.
In jedem leidenden Menschen können wir das Gesicht des leidenden Jesus wieder erkennen und damit hoffen auf Gottes Beistand im Leiden. Und zu wissen, dass Gott uns nicht allein lässt mit unserem Kummer und unserem Leid, das kann uns Mut zum Leben geben. Das kann uns helfen, mit Leid umzugehen und damit leben zu lernen.
Das Kreuz zeigt uns einen Weg aus der Sackgasse von Leiden, Gewalt und Tod hinein ins Leben. Der Gedanke an das Leiden Jesu kann uns Kraft geben, zu ertragen, was uns das Leben oft so schwer macht. Denn wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott auch bei uns ist. So wie Gott bei Jesus war und ihm beistand, so will Gott auch bei uns sein und uns helfen. Dafür steht der Karfreitag als Zeichen.