Karfreitag
In diesem Jahr braucht sich niemand Gedanken darüber zu machen, dass an Karfreitag die Discos geschlossen sind. So hatten wir uns das aber auch nicht vorgestellt. Dass es noch nicht mal mehr möglich ist, unsere nor- malen Karfreitagsgottesdienste zu feiern. Ich dachte, ich gehe heute mal hierher, damit Sie alle mal wieder einen Blick in die Kirche werfen können. Aber komisch fühle ich mich damit schon. Gottesdienst feiern macht für mich persönlich nur Sinn, wenn Gemeinde dabei ist. Ich möchte nicht vor einer leeren Kirche predigen. Das ist zu traurig. Genauso traurig wie Karfreitag ja auch eigentlich ist. Zur Sterbestunde Jesu wird bei uns die Sterbeglocke läuten, um daran zu erinnern, was heute für ein Tag ist.
Der Evangelist Markus erzählt: Um 3 Uhr schrie Jesus sehr laut: »Eli Eli lama sabachthani«? Das heißt übersetzt: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« und weiter Jesus schrie laut auf, und sein Lebensgeist verließ ihn. Da zerriss der Vorhang des Tempels von oben bis unten in zwei Teile. Als der ihm gegenüberstehende römische Offizier sah, wie ihn sein Lebensgeist verließ, sagte er: »Dieser Mensch ist in Wahrheit Gottes Kind.« Dieser römische Offizier hat wohl etwas verstanden davon, was es mit Jesus und seinem Sterben auf sich hat. Ob er der einzige war, der etwas begriffen hat in diesem doch so unbegreiflichen Geschehen? Warum musste Jesus so grausam sterben? Warum musste Jesus leiden? Wenn doch Gott auf seiner Seite war? Warum konnte Gott ihn nicht davor bewahren, ihn retten, an ihm ein Wunder voll- bringen? Diese Frage beschäftigt viele von uns bis heute. Warum gibt es überhaupt so viel Leiden in der Welt? Muss das denn sein? All die vielen Kreuze, die im übertrage- nen Sinne bis heute getragen werden müssen Kreuze wie Krankheit, Trauer und Ungerechtigkeit. All das, was uns das Leben immer wieder so schwer macht. Ich bin davon überzeugt, dass nicht Gott uns leiden lassen will. Aber die Liebe hat ihren Preis. Liebe, wie Jesus sie vorgelebt hat. Wer versucht Gottes Liebe in unserer Welt lebendig zu
machen wird dadurch angreifbarer und verletzbarer. So wie Jesus es auch war. Gott will uns das Leben in gan- zer Fülle eröffnen. Aber das bedeutet dann auch, dass wir empfindsam sind für das Leid in der Welt. Je weiter wir unser Herz öffnen für andere, je lauter wir eintreten gegen das Unrecht, das um uns herum herrscht, desto schwie- riger wird auch unser eigenes Leben. Desto mehr leiden wir selbst auch unter der Ungerechtigkeit und Lieblosig- keit in der Welt. Wir können letztendlich die Frage nicht beantworten, warum es Leiden geben muss. Wichtig ist aber doch, dass wir darauf vertrauen können, dass der Tod Jesu nicht umsonst war. Sondern, dass sein Leiden und Tod uns Kraft gibt, unser persönliches Leiden auszuhalten. Und auch in Coronazeiten durchzuhalten voller Zuversicht, dass es irgendwann wieder besser werden wird.
Jesu Leiden und Tod im Vertrauen auf Gottes Nähe soll uns Mut machen, das Leiden um uns herum wahrzunehmen und andere Menschen liebevoll in ihrem Leiden zu begleiten. So gut das eben im Moment möglich ist, zwar mit eher etwas distanzierten Mitteln, aber trotzdem unterstützend. Weil wir daran glauben, dass Jesus mit uns lebt und bei uns bleibt, auch wenn wir leiden. Weil wir darauf vertrauen, dass Gott auch uns nah ist und uns nicht im Stich lässt. Lasst uns darauf vertrauen und beten:
Gott der Liebe,
wir kommen zu dir mit all unseren Fragen,
unserer Traurigkeit und unseren Ängsten.
Lass uns darauf vertrauen können,
dass du uns genauso nah bist,
wie du es bei Jesus am Kreuz warst.
Wir bitten dich für alle Kranken und alle, die leiden,
für alle, die Angst um ihr Leben oder ihre berufliche Existenz haben,
für alle, die sich gerade im Moment
ganz besonders für ihre Mitmenschen einsetzen,
gib du allen die nötige Kraft und immer wieder neuen Mut,
sei bei uns allen, behüte und bewahre uns. Amen.