Einmalig, einzigartig, unverwechselbar, unendlich kostbar!
14 Tage Urlaub an der Nordsee. Immer ein Geschenk. Diesen Sommer ein besonderer Genuss. Die würzige Luft. Die weite Sicht. Und natürlich das Meer. Bewegt. Immer zu hören. Meeresrauschen. Erfrischendes Wasser an heißen Tagen. Spazieren gehen. Am Strand. Ausschau halten. Nach schönen Muscheln. Nach Schneckenhäusern und Steinen. Und fündig werden. Sammlerglück! Da liegen so viele Schätze im Sand. So nach und nach füllt sich mein kleiner Rucksack auf dem Rücken.
Auf der Terrasse des alten Ferienhauses die gesammelten Kostbarkeiten sortieren. Ich staune: welch eine Vielfalt! Selbst unter den „Verwandten“: die Austernmuscheln zum Beispiel. Sie ähneln sich und sind doch so verschieden. Kleine und Große. Braun, dunkelgrau oder auch fast weiß schimmernd. Welch eine Freude! Einmalig, einzigartig, unverwechselbar. Unendlich kostbar.
Andere Menschen hatten sie liegen gelassen, nicht beachtet. Es gab doch so viele von ihnen. Und so, auf dem Tisch, im Trockenen, wirken sie doch sehr blass. Stumpf. In keiner Weise besonders bemerkenswert. Was soll man von ihnen schon halten? Ein ähnliches Gefühl haben viele Menschen meist auch, wenn sie sich klar machen: es gibt mehr als 8 Milliarden Menschen auf dieser Erde. Fühlen sich als einzelner Mensch unbedeutend, nichts Besonderes. So wie solch eine nichtssagende Muschel.
Aus der Küche hole ich eine kleine Wanne, gefüllt mit Wasser. Und lege meine Schätze hinein. So im Wasser, glänzen sie wie Edelsteine. Schimmern in vielen Farben, die vorher nicht zu sehen waren: rot, grün, blau, gelb, golden, warmes braun, sanftes grau. Die gleichen Muscheln – im Sand von vielen unbeachtet, gewöhnlich, nichts Besonderes eben. Und jetzt – benetzt vom Wasser, einzigartig schön. Jede etwas ganz Besonderes. Einmalig, einzigartig, unverwechselbar. Unendlich kostbar.
Mir wurden diese Austernmuscheln zu einem Gleichnis für uns Menschen. So, wie jede Auster bei aller Ähnlichkeit einzigartig ist – keine zwei Muscheln sind absolut gleich – so verhält es sich ja auch mit uns Menschen. Und so, wie das Besondere der Muscheln erst sichtbar wird in Verbindung mit dem Element, aus dem sie herkommen, aus dem Wasser nämlich, so kommt das Besondere der einzelnen Menschen erst zum Vorschein in Verbindung mit ihrem Ursprung, mit Gott. Mit Gottes Augen betrachtet, ist jeder Mensch einmalig, einzigartig, unverwechselbar. Unendlich kostbar.
Damit wir einander auch so sehen, stellte Gott uns „seine Brille“ zur Verfügung: die Liebe! Die meisten Eltern kennen diese Brille sehr gut. Durch sie betrachtet sind nämlich die eigenen Kinder nicht irgendein Baby oder Kleinkind wie Millionen auf dieser Erde. Ja, die eigenen Kinder sind für die Eltern etwas ganz Besonderes: ein Wunder! Einmalig, einzigartig, unverwechselbar. Unendlich kostbar.
Gott träumt, dass wir uns alle diese Brille aufsetzen. Viel öfter als wir das normalerweise tun. Unsere nächsten Angehörigen mit den Augen der Liebe ansehen, unsere Nachbarn, die Menschen in unserer Stadt, überhaupt alle, mit denen wir es zu tun bekommen. Auch uns selbst durch diese Brille betrachten. Uns selbst so sehen, mit welchen Begabungen und Fähigkeiten Gott uns beschenkte. Und Gott dafür danken. Jede und jeder von uns ist begabt. Ein Wunder! Einmalig, einzigartig, unverwechselbar. Unendlich kostbar.
Die Taufe macht das sichtbar. Führt uns an den Ursprung unseres Lebens heran. Mit Gottes Augen, durch die Brille von Gottes Liebe betrachtet, vom Wasser der Taufe benetzt, glänzt jeder Mensch in seiner Einzigartigkeit auf. Erinnern wir uns heute morgen: wir sind getauft! Gottes Kinder. Und Gottes Zusage gilt. Gottes Versprechen, bei uns zu sein, uns zu bewahren und zu behüten und zu segnen! Gottes Wertschätzung und Liebe, die uns begleiten unser Leben lang. Wir sind und bleiben: ein Wunder! Einmalig, einzigartig, unverwechselbar. Unendlich kostbar. Meine Muscheln erinnern mich daran. Die Steine tun es auch. Legen Sie doch mal ein paar Kieseln oder Muscheln in eine Schale mit Wasser. Und staunen über die wunderbaren Farben, die feine Zeichnung! Und denken daran: wenn Gott sich schon solche Mühe gab mit einer Muschel, mit einem Stein, wie viel mehr dann mit mir! Wenn Gott in sie schon solch eine Schönheit hinein legt, wie viele Gaben schenkt er mir! Und natürlich auch den Menschen neben mir. Sie alle, wir alle sind und bleiben: ein Wunder! Einmalig, einzigartig, unverwechselbar. Unendlich kostbar.
Hiltrud Warntjen
Pfarrerin in Vechta hiltrud.warntjen@kh-vec.de