Endlich ist sie wieder da – die Rosenzeit! Eine nach der anderen beginnen sie zu blühen. Rosa, rot, weiß, gelb, pink, eine schöner wie die andere. Die Vielfalt der Blütenformen. Und dann das Beste, ihr Duft! Mhhhmm. So schön, so zärtlich, so überraschend überwältigend stark bei mancher von ihnen. In meinem Garten blüht rosarot die Gloria Dei, Ehre Gottes oder Ruhm Gottes auf Deutsch. Und noch ein paar andere mit klangvollen Namen. Einige Beetrosen, weiß und rosa, auch mit ihren kleinen Blüten. Eine Kletterrose, tiefrot.
Von den Rosen erzählt eine Geschichte über den Dichter Rainer Maria Rilke: „Gemeinsam mit einer jungen Französin kam er (Rilke) um die Mittagszeit an einem Platz vorbei, an dem eine Bettlerin saß, die um Geld anhielt. Ohne zu irgendeinem Geldgeber je aufzusehen, ohne eine anderes Zeichen des Bittens oder Dankens zu äußern, saß die Frau immer am gleichen Ort. Rilke gab nie etwas, seine Begleiterin gab häufig ein Geldstück.
Eines Tages fragte die Frau verwundert nach dem Grund, warum er nichts gebe, und Rilke gab zur Antwort: ‚Wir müssten ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand.‘ Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte Rose mit, legte sie in die offene, abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte weitergehen. Da geschah das Unerwartete: Die Bettlerin blickte auf, sah den Geber an, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon.
Eine Woche lang war die Alte verschwunden, der Platz, an dem sie vorher gebettelt hatte, blieb leer. Vergeblich suchte die Begleiterin Rilkes eine Antwort darauf, wer wohl jetzt der Alten ein Almosen gebe. Nach acht Tages saß plötzlich die Bettlerin wieder wie früher am gewohnten Platz. Sie war stumm wie damals, wiederum nur ihre Dankbarkeit zeigend durch die ausgestreckte Hand. ‚Aber wovon hat sie denn all die Tage, da sie nichts erhielt, nur gelebt?‘ fragte die Französin. Rilke antwortete: ‚Von der Rose‘.“
Da sprach eine Rose mehr als alle anderen milden Gaben. Was die Rose der Bettlerin wohl erzählt hat? Vielleicht: „Guten Tag, Du Liebe, hier bin ich, Deine Rose. Wunderschön – und nur für Dich! Ich will Dein Herz erfreuen, Dein Leben hell machen und freundlich, will Dir neuen Mut schenken. Ich bin für Dich da – nur für Dich.“
Und ich höre die Rose, wie sie weiter spricht: „Atme all das aus, was Dein Leben so oft so schwer macht. Atme meine Schönheit ein, meinen Duft – so zart, so unaufdringlich und doch so betörend schnupperbar. Schau Dir meine Farben an: das Grün meiner Blätter, das zarte Rot meiner Blüte.“ Und habe die Bettlerin vor Augen, wie sie ihre Rose betrachtet, sie bewundert und genießt, schaut und schnuppert.
Und ich sehe die Bettlerin, wie sie ihre Rose berührt. Ganz vorsichtig. Sie ist ja so zart. Wie sie den Stiel ertastet. Mit den Dornen. Die scharf sind und stechen, die eine zum Bluten bringen, wenn sie nicht acht gibt. Die verletzen können. So wie ich und Du oft andere verletzen – und uns selbst. Wie sie die Blätter befühlt. Die Blätter, mit denen die Rose atmet. Fast wie Samt fühlen die sich an. Die Rose streckt ihre Blätter aus, so als ob sie ihr ihre Hand reicht, über alle Verletzungen hinweg.
Wie sie die Blüte berührt. Ganz fein und zart ist sie, voller Farbe. Wie sie duftet! Wie sie sich ihrer Rose zuwendet, diesem Zeichen, in dem die Schöpfung Gottes uns anschaut. Diesem Zeichen, verletzend und doch voller Ausstrahlung, scharfkantig und zärtlich. Wie sie ganz still wird, und eins mit ihrer Rose. Wie sie ihre Rose aufbewahrt, ins Wasser stellt, gut pflegt und behütet.
Und ich male mir aus, wie die Bettlerin sich an eine andere Rosengeschichte erinnert, an die vom kleinen Prinzen und seiner Rose. „Der kleine Prinz hatte auf seinem Planeten eine einzige Rose. Für diese Rose hatte er gesorgt und sie sehr lieb gewonnen. Nachdem er seine Rose wieder gesehen hatte, ging er zu den 5000 Rosen und sagte zu ihnen: ‚Ihr gleicht meiner Rose gar nicht, ihr seid noch nichts. Niemand hat sich euch vertraut gemacht und auch ihr habt euch niemandem vertraut gemacht.‘
Und er kam zum Fuchs zurück, der ihm erklärte: ‚Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach. Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.‘ ‚Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar,‘ wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken. „Die Menschen haben das vergessen“, sagte der Fuchs.
‚Aber du darfst es nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich.‘“
Ob die Bettlerin wohl mit ihrer Rose gebetet hat? Vielleicht. Vielleicht so: „Du, Gott, Quelle allen Lebens, sorgst für mich. Dafür danke ich dir und bitte: für mich und für alle, dass unsere Liebe täglich neu aufblühe und wachse. Dass ich erlebe, meine Liebe und Hingabe werden wertgeschätzt. Dass ich so wie Du, liebe Rose, Wärme, Licht und Wasser zum Wachsen bekommst, Menschen begegne, die mich stützen, mir Geborgenheit schenken. Amen.“
Von den Rosen erzählt eine Geschichte über den Dichter Rainer Maria Rilke: „Gemeinsam mit einer jungen Französin kam er (Rilke) um die Mittagszeit an einem Platz vorbei, an dem eine Bettlerin saß, die um Geld anhielt. Ohne zu irgendeinem Geldgeber je aufzusehen, ohne eine anderes Zeichen des Bittens oder Dankens zu äußern, saß die Frau immer am gleichen Ort. Rilke gab nie etwas, seine Begleiterin gab häufig ein Geldstück.
Eines Tages fragte die Frau verwundert nach dem Grund, warum er nichts gebe, und Rilke gab zur Antwort: ‚Wir müssten ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand.‘ Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte Rose mit, legte sie in die offene, abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte weitergehen. Da geschah das Unerwartete: Die Bettlerin blickte auf, sah den Geber an, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon.
Eine Woche lang war die Alte verschwunden, der Platz, an dem sie vorher gebettelt hatte, blieb leer. Vergeblich suchte die Begleiterin Rilkes eine Antwort darauf, wer wohl jetzt der Alten ein Almosen gebe. Nach acht Tages saß plötzlich die Bettlerin wieder wie früher am gewohnten Platz. Sie war stumm wie damals, wiederum nur ihre Dankbarkeit zeigend durch die ausgestreckte Hand. ‚Aber wovon hat sie denn all die Tage, da sie nichts erhielt, nur gelebt?‘ fragte die Französin. Rilke antwortete: ‚Von der Rose‘.“
Da sprach eine Rose mehr als alle anderen milden Gaben. Was die Rose der Bettlerin wohl erzählt hat? Vielleicht: „Guten Tag, Du Liebe, hier bin ich, Deine Rose. Wunderschön – und nur für Dich! Ich will Dein Herz erfreuen, Dein Leben hell machen und freundlich, will Dir neuen Mut schenken. Ich bin für Dich da – nur für Dich.“
Und ich höre die Rose, wie sie weiter spricht: „Atme all das aus, was Dein Leben so oft so schwer macht. Atme meine Schönheit ein, meinen Duft – so zart, so unaufdringlich und doch so betörend schnupperbar. Schau Dir meine Farben an: das Grün meiner Blätter, das zarte Rot meiner Blüte.“ Und habe die Bettlerin vor Augen, wie sie ihre Rose betrachtet, sie bewundert und genießt, schaut und schnuppert.
Und ich sehe die Bettlerin, wie sie ihre Rose berührt. Ganz vorsichtig. Sie ist ja so zart. Wie sie den Stiel ertastet. Mit den Dornen. Die scharf sind und stechen, die eine zum Bluten bringen, wenn sie nicht acht gibt. Die verletzen können. So wie ich und Du oft andere verletzen – und uns selbst. Wie sie die Blätter befühlt. Die Blätter, mit denen die Rose atmet. Fast wie Samt fühlen die sich an. Die Rose streckt ihre Blätter aus, so als ob sie ihr ihre Hand reicht, über alle Verletzungen hinweg.
Wie sie die Blüte berührt. Ganz fein und zart ist sie, voller Farbe. Wie sie duftet! Wie sie sich ihrer Rose zuwendet, diesem Zeichen, in dem die Schöpfung Gottes uns anschaut. Diesem Zeichen, verletzend und doch voller Ausstrahlung, scharfkantig und zärtlich. Wie sie ganz still wird, und eins mit ihrer Rose. Wie sie ihre Rose aufbewahrt, ins Wasser stellt, gut pflegt und behütet.
Und ich male mir aus, wie die Bettlerin sich an eine andere Rosengeschichte erinnert, an die vom kleinen Prinzen und seiner Rose. „Der kleine Prinz hatte auf seinem Planeten eine einzige Rose. Für diese Rose hatte er gesorgt und sie sehr lieb gewonnen. Nachdem er seine Rose wieder gesehen hatte, ging er zu den 5000 Rosen und sagte zu ihnen: ‚Ihr gleicht meiner Rose gar nicht, ihr seid noch nichts. Niemand hat sich euch vertraut gemacht und auch ihr habt euch niemandem vertraut gemacht.‘
Und er kam zum Fuchs zurück, der ihm erklärte: ‚Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach. Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.‘ ‚Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar,‘ wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken. „Die Menschen haben das vergessen“, sagte der Fuchs.
‚Aber du darfst es nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich.‘“
Ob die Bettlerin wohl mit ihrer Rose gebetet hat? Vielleicht. Vielleicht so: „Du, Gott, Quelle allen Lebens, sorgst für mich. Dafür danke ich dir und bitte: für mich und für alle, dass unsere Liebe täglich neu aufblühe und wachse. Dass ich erlebe, meine Liebe und Hingabe werden wertgeschätzt. Dass ich so wie Du, liebe Rose, Wärme, Licht und Wasser zum Wachsen bekommst, Menschen begegne, die mich stützen, mir Geborgenheit schenken. Amen.“
Hiltrud Warntjen
Pfarrerin in Vechta hiltrud.warntjen@kh-vec.de