Das Beste zum Schluss
Zum Schluss kommt immer das Wichtigste. Wenn wir auseinander gehen, zählen die letzten Worte. Zum Schluss: „Fahr vorsichtig!“ „Ich hab Dich lieb!“ „Ruf an, wenn Du da bist!“ Zum Schluss. „Kannst Du die Tür ein Stück auflassen?“ ruft das Kind Richtung Zimmertür. Zum Schluss – da gibt es keine langen Erklärungen mehr. Nur das Wichtigste – in Kürze.
Nach 13 Kapiteln ist der Brief an die Hebräer fertig geschrieben. Wohl von einer zuhörenden Person aus dem Umfeld von Jesus. Und vom Hörensagen lassen sich gut 13 Kapitel füllen. Und er hatte gut zugehört. Seitenweise Ausführungen und Erklärungen. Wie man leben soll als Christ. Am Schluss ganz einfach und klar:
“Bleibt fest in der geschwisterlichen Liebe. Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt. Denkt an die Gefangenen, als wärt ihr Mitgefangene, und an die Misshandelten, weil auch ihr noch im Leibe lebt.” Das Wichtigste zum Schluss. Es ist die Gastfreiheit, die es hier im Brief ans Ende schafft. Sie ist so wichtig, sie hat das letzte Wort. Gastfrei zu sein, im Freundeskreis und bei Fremden. Das wundert nicht. Jesus und Paulus und so viele in ihrer Nachfolge waren ja selbst Reisende. Die Ausbreitung des Evangeliums wäre ohne Gastfreundschaft niemals so weit gekommen. Kein Wunder, dass der Brief mit dieser Bitte schließt. Das Wichtigste zum Schluss. Am Ende des Tages sollte jeder einen Platz am Tisch haben. Im Freundeskreis, und zur Not, bei Fremden. Das Wichtigste zum Schluss. „Bitte informieren Sie sich vorab!“ Das lese ich im Moment fast überall. Wann darf ich rein, wie darf ich rein, und mit wie vielen? Denn Zutritte sind beschränkt.
In diesen Zeiten erst recht. Rein darf nur, wer die Voraussetzungen erfüllt. Wer dazugehört. Wer eingeladen ist. Wer seinen Mund-Nasen-Schutz dabei hat. „Bitte informieren Sie sich vorab!“ Überall Regeln und Grenzen und Beschränkungen. Du kannst nicht einfach irgendwo hingehen. Von Broten essen, die nicht für dich gebacken wurden.
Trotzdem. „Kannst Du die Tür ein Stück auflassen?“ fragen Kinder. Damit es nicht so dunkel ist. Damit ich euch hören kann. Auch wenn die Worte und das Geklapper jetzt nicht mehr mir gelten. „Kannst Du die Tür bitte ein Stück auflassen?“
Und im Hebräerbrief, ganz zum Schluss, nach vielen komplizierten Gedanken, im Grunde die gleiche Bitte: Könnt ihr die Tür bitte ein Stück auflassen? Und gastfrei sein? Bei Freundinnen und Freunden. Zur Not auch bei Fremden. Könnt ihr euch und die Tische eures Lebens bitte nicht einschließen? Könnt ihr bitte? Auch wenn ihr mit diesem jemand jetzt nicht rechnet? Auch wenn er nicht dazugehört? Auch wenn sie nicht eingeladen ist? Könnt Ihr bitte die Tür ein Stück auflassen?
Ich nehme diesen Satz mit, wenn es klopft. Wenn das Telefon klingelt und jemand was will. Und erinnere mich: wie dankbar ich schon an Tischen saß! Und von Broten aß, die andern gehörten. Wie dankbar ich war für Worte, die mich gastlich empfingen. Wie beeindruckt ich war von Menschen, die mit herzlichster Gastlichkeit überraschten. Die offen waren, im Geist und als Gastgebende. Das Wichtigste zum Schluss: “Bleibt fest in der geschwisterlichen Liebe. Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.” Das Beste zum Schluss.
Diese Worte mitnehmen. Sie nicht vergessen. Sie zwischen alle Ordnungen rufen. Sie mit Klebestift über den Teil mancher Kirchenordnung kleben, die besagt, dass sogar am Tisch des Herrn der Zutritt beschränkt ist. Denn ich glaube, dass Gott, was seinen Tisch betrifft, ein Freigeist ist. Sperrangelweit offen. Ausnahmslos. Dieser Tisch des Herrn ist wirklich der einzige Tisch, an dem wir alle zusammenkommen. Meist lernen wir viel zu früh, nur da zu essen, wo wir die Voraussetzungen erfüllen. Umso wichtiger, dass wir ihn haben. An ihm zusammen kommen. Das Brot miteinander teilen. Das Beste zum Schluss.
Das Brot nehmen, essen … und schmecken. Hmm. Die größte Köstlichkeit, die das Christentum zu hüten hat, ist die Gnade. Hmmm. Die Gnade. Sie soll das letzte Wort haben. Bei Freunden und Fremden. Das Beste zum Schluss.
Könnt Ihr bitte die Tür ein Stück auflassen!
Hiltrud Warntjen
Pfarrerin in Vechta hiltrud.warntjen@kh-vec.de