Klang des Friedens
Klang des Friedens … Klang des Friedens … ja … wie klingt denn der Friede? Ich weiß nicht, wie Ihre Antwort lautet. Beim längeren Nachdenken, Nachsinnen und Nachhorchen kamen bei mir ein paar Erinnerungen.
Wie klingt Frieden? Ich höre die Worte von Martin Luther King. Seine Rede von 1963. Höre das eindringliche „I have a dream“… Ich habe einen Traum. Friedensklänge. 1972, als 14jährige im Konfirmandenunterricht, beeindruckten mich diese Worte tief. Und sie berühren mich bis heute: „Heute sage ich euch, meine Freunde, trotz der Schwierigkeiten von heute und morgen habe ich einen Traum. Es ist ein Traum, der tief verwurzelt ist im amerikanischen Traum … Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird. Ich habe einen Traum heute …
Ich habe einen Traum, dass eines Tages in Alabama mit seinen bösartigen Rassisten, dass eines Tages genau dort in Alabama kleine schwarze Jungen und Mädchen die Hände schütteln mit kleinen weißen Jungen und Mädchen als Brüder und Schwestern. Ich habe einen Traum, dass eines Tages jedes Tal erhöht und jeder Hügel und Berg erniedrigt wird. Die rauen Orte werden geglättet und die unebenen Orte begradigt werden. Und die Herrlichkeit des Herrn wird offenbar werden, und alles Fleisch wird es sehen. Das ist unsere Hoffnung!“ Martin Luther Kings Traum, über 57 Jahre alt. Bis heute für viele Menschen eine Vision des Friedens, ein Klang des Friedens!
Wie klingt Frieden? Eine wunderbare, kleine Geschichte: „In einer jüdischen Legende fragt der Rabbi seinen Schüler: Wann ist der Übergang von der Nacht zum Tag? Und der gab zur Antwort: Wenn du das Gesicht eines Menschen erkennst und darin das Gesicht deines Bruders oder deiner Schwester entdeckst, dann ist die Nacht zu Ende, und der Tag ist angebrochen.“ Ja, so klingt Frieden, so wird es heller Tag, und Friede kann sein!
Noch ein Klang des Friedens aus meinem Nachdenken. Viele Jahre lang war ich jeden November mit einer großen Gruppe interessierter KonfirmandInnen nach Hamburg unterwegs. Unsere Fahrten hießen: „Gegen das Vergessen!“ also: Erinnern – damit „es“ nie wieder geschieht. Hamburg-Neuengamme war unser Ziel. Heute eine Gedenkstätte für das damalige Konzentrationslager. Über 100.000 Menschen waren dort gefangen, 55.000 dort umgekommen. Das Programm des Lagers lautete: „Vernichtung durch Arbeit“.
Unser Reiseführer erzählte: „1942, da war ich 8 Jahre alt. Ich lebte hier in Hamburg. Ich habe keinen Tag im Krieg Hunger gehabt. Es gab immer genug zu essen, denn die Deutschen hatten ja genug Länder besetzt, aus denen sie Lebensmittel nach Deutschland bringen konnten. Und wenn es Bombenalarm gab, konnte ich mich mit meiner Mutter in einen Bunker flüchten. Aber diese armen Menschen, sagte er, diese armen Menschen in den Lagern bekamen kaum zu essen, waren nur dünn bekleidet, wurden medizinisch schlecht versorgt und bei Bombenalarm mussten sie im Freien bleiben. Das konnte ich, das konnten wir damals in Hamburg alle sehen und mitbekommen!“
Der Klang des Friedens – das ist auch und vor allem das Erinnern mit einem mitfühlenden Herzen. Gegen das Vergessen! Am 9. November gedenken wir Jahr um Jahr mit einem mitfühlenden Herzen der Schicksale der jüdischen Menschen in Vechta – gegen das Vergessen! Auch im Blick auf den Holocaust brauchen wir das Erinnern mit einem mitfühlenden Herzen, damit dieses bodenlose Unrecht nie vergessen wird. Und sich nie wiederholt. Auch das – ein Klang des Friedens. Für mich ist der 9. November einer der wichtigsten Gedenktage!
Wie klingt Frieden? Für jüdische Menschen klingt Frieden so: Schalom! Und in diesem hebräischen Friedenswort Schalom klingt der umfassende Friede an, den Gott allen Menschen und allen Völkern verspricht:
Schalom, das sind Ruhe und Sicherheit.
Schalom, das ist Geborgenheit.
Schalom, das ist das absolute Wohlergehen.
Schalom bedeutet: Frieden und Gerechtigkeit.
Schalom – nicht irgendwann einmal, womöglich erst in der Ewigkeit bei Gott, Schalom soll und wird schon hier auf Erden beginnen – so hat es Gott versprochen!
Schalom – der Klang des Friedens. Horchen wir drauf! Am 9.11.!
Hiltrud Warntjen
Pfarrerin in Vechta hiltrud.warntjen@kh-vec.de