Muttertag 2020
Muttertag, fange ich mal bei mir an. Meine Mutter lehnt den Tag ab, bis heute. Als Kind fand ich das nur blöd. Die anderen hatten Geschenke oder Blumen für ihre Mütter, da brauchte ich gar nicht erst mit anzufangen. Das wollte sie nicht. Sie fand es unangemessen. Viel zu wenig eben. Als Schulkind habe ich dann gerne am Muttertag in aller Frühe das Frühstück allein vorbereitet. Als Überraschung. Das hat sie dann doch gefreut, das hätte sie gerne bestimmt viel öfter erlebt.
Muttertag, ja. Als ich selbst Mutter geworden war, nahm ich das mütterliche Erbe an und verweigerte Begeisterung über Muttertagsgeschenke. Nun hatte ich selbst erlebt, was Muttersein bedeutet: hegen und pflegen, hüten und betreuen, umsorgen und verzärteln, helfen und kümmern. Rund um die Uhr. Dazu viel Praktisches wie wickeln und baden, kochen und backen, Wäsche machen und Geschirr spülen, aufräumen, putzen und einkaufen. Ein Haufen Arbeit. Ja.
Muttertag. Für mein Gefühl und wohl auch das meiner Mutter (87) ist ein Tag im Jahr entschieden zu wenig Anerkennung für all die Plackerei. Lieber immer wieder mal gelobt werden, öfters ein Dankeschön, eine Anerkennung. Kleine Zeichen, dass andere sehen, was die Mutter leistet.
Muttertag 2020. Wir werden Kontakt haben! Das ist das Besondere in diesem Jahr! In den meisten Bundesländern sind Besuche bei den alten Müttern (und natürlich auch den Vätern) in den Pflegeeinrichtungen wieder erlaubt. Die werden aufatmen und durchatmen und sich freuen. Auch wenn manche von ihnen uns vielleicht nicht mehr wieder erkennen, weil die Demenz noch weiter fortgeschritten ist und die Isolation zu lang war.
Muttertag 2020. Wie mag es den jungen Müttern gehen? Nach vielen Wochen, wo ich sie kaum gesehen habe mit ihren Kindern, sind sie wieder sichtbar. Unsicher. Was wohl richtig ist in diesen Zeiten. Wenn sie mit dem Kleinkind auf dem Arm einkaufen gehen. Viel Gebrüll kleiner Kinder habe ich erlebt diese Woche. Das erst aufhörte, wenn die Mutter die Maske abnahm. Wieder erkennbar wurde, wieder wie die Mama aussah! Erleichterung bei den jungen Müttern, wenn die anderen im Geschäft das duldeten und mittrugen.
Muttertag 2020. In Krisenzeiten. Mit Isolation und Quarantäne. Mehr Frauen als bisher geht es schlecht. Angst und Panik, Stress und Enge, Geldnöte und andere Sorgen, dazu der Anstieg häuslicher Gewalt. Es gibt mehr verzweifelte Mütter und wütende Frauen. Erleben sie doch oft, dass sie es sind, die nun die Hauptlast der vorher fair geteilten Erziehungsarbeit tragen müssen.
Muttertag 2020. Ja, heute ist Muttertag. Die Gemeinden beginnen wieder ganz vorsichtig mit ihren Gottesdiensten. Mit strengen Regeln. Alles nach Vorschrift.
Vielleicht auch mit einem Dank für die mütterlichen Menschen, die weiblichen und die männlichen.
Muttertag. Gott danken für die mütterlichen Menschen. Weil sie uns etwas von der mütterlichen Liebe Gottes vorleben. Einer Liebe, die sich “verschwendet”, so wie Gott uns liebt. Danke für die mütterlichen Menschen, weiblichen und männlichen Geschlechts. Danke an Gott, unser aller Mutter, der uns heute begegnet in mütterlichen Menschen. Danke an Gott, die uns tröstet wie eine Mutter. Die uns das Laufen lehrt und in die Arme nimmt. Bei der wir Zuflucht finden. Gott trägt uns auf unseren schweren Wegen liebevoll und sicher wie eine Adlermutter ihr Kinder auf Flügeln trägt.
Muttertag 2020. Gottes mütterliche Gegenwart sei anwesend, zärtlich und liebevoll, bergend und schützend, geduldig und vergebend – und sich verschwendend. Schenke uns allen Geborgenheit und Zuflucht – und ein langen Atem denen, die ihn so sehr brauchen in diesen Zeiten. Mein Muttertagswunsch 2020.
Hiltrud Warntjen,
Krankenhauspfarrerin in Vechta