Auf die Liebe setzen
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Lese ich in der Bibel. Im Römerbrief. 76 Jahre währt der Frieden in unserem Land. Immer noch ragt viel Schuld in unser Leben heute hinein. Immer noch leben viele Menschen, die Schlimmes im Krieg erlitten: die ganze Härte des Bösen im Krieg. Und auf der Flucht . Furchtbare Erlebnisse, die man sein Leben lang mit sich rumschleppt.
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Was aber ist das Böse, was ist das Gute? Und wo befinde ich mich? Aus eigener Erfahrung weiß ich nur zu gut, wie unendlich schwer es mitunter ist, Böses mit Gutem zu überwinden. Zu vergeben. Die Hand zu reichen zur Versöhnung. Auf die Liebe setzen.
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Wo kämen wir hin, wenn es sie nicht gäbe, die wahren Heldinnen und Helden. Keine blassen Dulder oder Schwächlinge. Sondern Menschen, die kraftvoll aus Ohnmacht und stummer Wut heraus das Unrecht benennen. Die das Gespräch wieder aufnehmen. Die unbeirrbar an Frieden und Versöhnung und Liebe zu glauben. Die klare Worte gegen Rassismus finden. Die auf die Liebe setzen.
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Ja, wo kämen wir hin? Wenn wir es nicht versuchen, so zu leben? In eine Endlosschlaufe von Unversöhnlichkeit im Kleinen? In eine Spirale von tödlicher Gewalt, Leid und immer neuer Gewalt im Großen? Ja, es gibt keinen besseren Weg als diesen: wieder und wieder, immer von Neuem, das Böse durch Gutes zu überwinden. Auf die Liebe zu setzen.
Also: ich setze auf die Liebe. Weiterhin. Und dann spüre ich ganz genau: Leben kann ich nur, wenn ich einen habe, auf den ich mich verlassen kann. Der mich mag und mich versteht. Der zu mir hält. Ich brauche ich jemanden, der nicht nach Zeugnis und Leistung urteilt. Der sich nicht bloß für Stärke und Erfolgreiche interessiert. Der wirklich auf mich eingeht. Mich versteht. Der auf die Liebe setzt.
Ja, ich setze auf die Liebe. Es ist so gut, wenn da eine ist, die mir keine Schuld zuschiebt. Mir hilft, die Last zu tragen. Die mein Gewissen erleichtert. Mich klar sehen lässt in Entscheidungen. Die meinem Leben den Sinn zeigt, auf den wir alle uns verlassen können. Die mir hilft, mich selbst zu verstehen. Die mich befreit von Unsicherheit und Angst. Die auf die Liebe setzt.
Als Christenmenschen wissen wir: Meine Taufe sagt mir, wer ich bin. Bei jeder Taufe setze ich auf die Liebe. Auf die Liebe Gottes. Auf Gottes Zusage: Du bist mein Kind, bist keine Nummer für mich! Du bist für mich unendlich wertvoll. Du bist auf deine Weise einzigartig, unverwechselbar. Ich bin bei dir. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich, Gott, habe dich lieb, heute und für alle Zeiten. Ich, Gott, setze auf die Liebe.
Auf die Liebe setzen. Ja. Immer wieder das Gute suchen. In der Gewissheit: ich bin selbst unendlich geliebt. Und spüren: ich bin von Gott geliebt. Ja. Gott liebt uns mit all seiner Liebe. Seine Liebe ist stärker als alle Mächte und Gewalten, alle Grausamkeiten und stärker auch als der Tod. Ich setze auf die Liebe! Setzen wir auf die Liebe, allem zum Trotz!
Hiltrud Warntjen
Pfarrerin in Vechta hiltrud.warntjen@kh-vec.de