Wenn ich einmal groß bin
Kinder träumen. Geheimagent zu werden. Prinz und Prinzessin auf einem Schloss zu werden. Schöne Kleider zu tragen. Ein berühmter Fußballspieler, Motorradschlosse-rin, Flugzeugingenieurin oder Erfinder zu werden. Groß raus kommen. Beliebt sein. Und Geliebt. Feuerwehrmann, Pilotin und Polizist. Wenn ich groß bin, werde ich … . Ein Satz aus Kindheitstagen. Kinder träumen vom Groß sein. Vom Machen. Davon die Welt zu verbessern.
Was war Dein Satz, als Du Kind warst? Wenn ich groß bin, werde ich … . Und was die Sätze deiner Eltern, Lehrerinnen und Freunde? Der Menschen, dort wo Du geboren wurdest. Zur Schule gegangen bist. Was ist aus deinem Satz geworden. Und aus den Sätzen der anderen. Aus dem „Das ist eine brotlose Kunst“, „Das schaffst du nicht“. „Das können wir uns nicht leisten“, „Du gehst in Stellung“, „Du übernimmst die Firma“? Kinder spüren das Sollen und Müssen. Das, was den Träumen und Wün-schen entgegen gehalten wird.
Was ist aus Deinem Satz geworden? Aus Deinen Wünschen und Träumen. Im Durch-einander von Krieg und Flucht, dem Nicht-Studieren-Dürfen, den Beurteilungen, die andere Dir gaben? Dem Versuch gut genug zu sein? Und dem „das kannst Du immer noch machen“, „Ich weiß, was gut für Dich ist.“, „Ich bin älter und habe Erfahrung.“ Kinder merken: „Du bist nicht o.k.“ Und „ich bin besser.“
Kinder mögen Superheldinnen und -helden. Batman, Superman. Und Wonder-Wo-man, Spiderman, Magical Girl. Einmal ganz stark sein. Sich durch die Lüfte schwin-gen. An Wänden rauflaufen. Ohne Seil und Haken. Einfach mal machen können. Stark sein. Ohne wenn und aber. Frei sein und stark. Als Baby warst Du mal furcht-los. Lautes Schreien, wenn Du nicht bekamst, was Du wolltest. Doch Dir war egal, was die anderen von Dir dachten. Deine Weigerung weiterzugehen. Und Dich einfach mitten auf die Straße setzen. Du hast gesagt, was Du dachtest.
Kinder bekommen Angst. Irgendwann: vom Beckenrand zu springen, „Du könntest ertrinken“. Fürchten sich allein. Abends, im Dunkeln im Bett. Vor der nächsten Klas-senarbeit. „Ich kann das nicht.“ „Ich schaff das nicht.“ Kinder bekommen gesagt. „Du kannst das nicht.“ „Du bist zu klein.“ „Das kannst du später immer noch machen.“ „Das ist gefährlich oder böse.“ „Mädchen machen das nicht.“ „Jungs sind stark und Mädchen brav.“ Und Gott sagt: „Sag nicht, ich kann das nicht.“
Jeremia ist jung. Gott sagt dem Jeremia. »Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.« Klingt hart, Gottes Antwort. Darauf Jeremia: »Ich will nicht. Ich kann nicht.« Und Gott: »Du sollst! Du gehst!« Da höre ich noch etwas: »Ich kenne Dich doch. Ich kenne Dich schon die ganze Zeit. Länger und besser als Du Dich selbst kennst. Du kannst das! Du schaffst das! Ich traue Dir das zu!« Und Gott redet weiter: »Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der Herr.« »Hab keine Angst vor den Menschen. Fürchte Dich nicht vor dem Leben. Ich bin mit Dir. Ich tröste Dich. Ich helfe Dir. Du sollst Kraft haben und Mut. Ich rette Dich.« So spricht Gott zu Jeremia. Und zu mir. Und auch zu Dir.
Ganz am Anfang und am Anfang vom Anfang wusste Gott schon etwas von uns. Und wollte was für uns. Denn Gott weiß, das wir was können.Traut uns das zu. Den Jun-gen und Alten: Leben und Sein und Tun. Und Kraft und Liebe und Mut. Superheldin und Superheld sein. Ausreißen und Einreißen. Am Anfang war eine Stimme. Bevor Jeremia ging. Eine Stimme, die immer wieder sagt: Du bist jung, ja! Und „du kannst das“. Das macht stark. Macht Superheldin und Superheld. Und: Mach deine Erfah-rungen selbst. Sie sind dein Schatz. Bis weit in Dein Alter hinein!
Hiltrud Warntjen
Pfarrerin in Vechta hiltrud.warntjen@kh-vec.de